Lehren aus der Corona-Krise

Foto: Merlin Nadj-Torma

Eine der wichtigsten Erkenntnisse der letzten Monate ist, dass unsere Demokratie und der Sozialstaat auch in Krisenzeiten funktionieren. Plenums- und Ausschusssitzungen finden mit dem notwendigen Abstand statt, Gesprächstermine und Besprechungen mit Mitarbeiter*innen sind im kleinen Rahmen oder per Videokonferenz möglich. Das ersetzt zwar nicht den persönlichen Kontakt, aber es lässt uns unter erschwerten Bedingungen trotzdem gut zusammenarbeiten. Und das sehr effektiv. In Rekordzeit sind im Frühjahr Rettungs- und Konjunkturpakete geschnürt worden, die die Folgen der Krise abmildern und all diejenigen berücksichtigen, die besonders darunter leiden. Um nur einige Beispiele zu nennen: Familien haben einen einmaligen Kinderbonus in Höhe von 300 Euro für jedes Kind, für das in mindestens einem Monat im Jahr 2020 ein Anspruch auf Kindergeld besteht, erhalten. Der Bonus wurde nicht auf Sozialleistungen wie die Grundsicherung oder den Unterhaltsvorschuss angerechnet und beim Kinderzuschlag und dem Wohngeld nicht als Einkommen berücksichtigt.

Um gezielt Alleinerziehende zu unterstützen, wird der sogenannte Entlastungsbetrag in der Einkommensteuer befristet auf die Jahre 2020 und 2021 von derzeit 1908 Euro auf 4008 Euro angehoben. Der Entlastungsbetrag ist ein zusätzlicher Steuerfreibetrag, der die besonderen Belastungen Alleinerziehender berücksichtigt – das sind zu 90 Prozent Frauen. Für den Steuervorteil müssen Alleinerziehende nicht bis zur Steuererklärung warten. Mit der Lohnsteuer können sie die Entlastung direkt nutzen. Von der Entlastung profitieren fast eine Million erwerbstätige Alleinerziehende und ihre Kinder.

Zum 1. März wurde der Zugang zum Kurzarbeitergeld vereinfacht: Es reicht, wenn zehn Prozent der Beschäftigten eines Betriebes von Arbeitsausfall betroffen sind, damit ein Unternehmen Kurzarbeit beantragen kann. Bisher waren es ein Drittel der Beschäftigten. Auch werden die Sozialversicherungsbeiträge nun vollständig von der Bundesagentur für Arbeit erstattet. Außerdem wurde das Kurzarbeitergeld erhöht.

Um die Menschen vor einer existenziellen Notlage zu bewahren, wurde der Zugang zur Grundsicherung vereinfacht. Wer zwischen dem 1. März und dem 31. Dezember 2020 einen Antrag auf Leistungen der Grundsicherung stellt und erklärt, über kein erhebliches Vermögen zu verfügen, darf Erspartes behalten. Außerdem werden die Ausgaben für Wohnung und Heizung in tatsächlicher Höhe anerkannt.

Die Corona-Pandemie verlangt uns allen seit mehr als einem halben Jahr vieles ab. Durch die Einschränkungen und das vorbildliche Verhalten der meisten Menschen ist es gelungen, dass die Pandemie in Deutschland bei weitem nicht so dramatische Ausmaße angenommen hat, wie in vielen anderen Ländern. Dafür mussten und müssen wir alle massive Einschränkungen hinnehmen, und ich glaube, es haben bisher so viele Menschen mitgezogen, weil der Bund und die Landesregierungen dabei Maß und Mitte gefunden haben. Den meisten konnte die Politik vermitteln: Auch wenn viele Maßnahmen zunächst Einschränkungen bedeuten, zeigen sie am Ende eine positive Wirkung, und das Virus kann eingedämmt werden.

Diese Zeit zeigt einmal mehr, wie wichtig und „systemrelevant“ Demokratiearbeit ist: Politischer Dialog ist wichtig, auch Protest und Demonstrationen sind es. Seit dem Beginn der Pandemie versucht allerdings die rechtsextreme Szene verstärkt, die Corona-Krise für sich zu nutzen und neue Anhänger zu gewinnen. In ganz Deutschland gibt es immer öfter Proteste gegen die Maßnahmen zum Infektionsschutz, bei denen sich Rechtsextreme und Anhänger von Verschwörungstheorien Gehör verschaffen wollen. Dem müssen wir uns mit einer transparenten Politik und Projekten der Demokratieförderung entgegenstellen.

Ich finde, dass die Bundesregierung und die Landesregierungen bislang nicht viel falsch gemacht und vor allem deutlich gemacht haben, dass alles getan wird, um die Auswirkungen für die Bürger*innen gering zu halten. Umfragen bestätigen, dass das Vertrauen in die Regierung und die öffentlichen Institutionen sowie die Zustimmung zu den ergriffenen Maßnahmen weiterhin hoch sind. Wir können das Coronavirus nur gemeinsam effektiv bekämpfen. Die Situation ist für uns alle eine Herausforderung, die wir zusammen meistern werden. Ich verstehe, dass viele Menschen verunsichert sind und die ständig neuen Informationen nicht mehr durchblicken. Durch die Verbreitung von Fake News wird es noch komplizierter, den Überblick zu behalten. Umso wichtiger ist es, sich aus seriösen Quellen zu informieren.

Diese Krise ist in der Geschichte der Bundesrepublik ohne Vorbild, und ich hoffe und will mich auch dafür einsetzen, dass wir aus den Fehlern der Vergangenheit lernen und unseren Staat für Krisenzeiten noch besser ausstatten. Mit der Bekämpfung der – vor allem sozialen – Spätfolgen werden wir uns noch lange beschäftigen müssen.

Einem Großteil der Menschen dürfte in den letzten Monaten einmal mehr bewusst geworden sein, was ihnen im Leben wichtig ist, und welcher Verzicht besonders schwer fällt. Wir brauchen zur Bewältigung dieser Pandemie einen langen Atem. Sie erfordert mehr Ausdauer, als uns lieb ist und als wir zu Beginn der Krise für möglich gehalten hätten. Dabei müssen wir uns – gerade in herausfordernden Situationen – immer wieder vor Augen führen: Wir sind nicht hilflos, und die Anstrengung jedes einzelnen trägt dazu bei, dass wir diese Episode überwinden. Es wird auch eine Zeit nach der Pandemie geben, in der all das, was unser gesellschaftliches und soziales Leben ausmacht, wieder möglich sein wird. In der wir uns wieder in geselligen Runden treffen, den nächsten Sommerurlaub planen und ins Kino oder Theater gehen werden.  Dies im Hinterkopf zu behalten, ist bei all der tagtäglichen Corona-Berichterstattung nicht einfach aber besonders wichtig.

Sönke Rix